+DarwinCode+: Wasserfloh vs. Triops

Dieses Thema im Forum "Amphibien, Reptilien, Krabben und Wirbellose" wurde erstellt von Ryk, 17. Januar 2009.

  1. Ryk

    Ryk

    Registriert seit:
    18. August 2004
    Beiträge:
    75
    Zustimmungen:
    0
    Ort:
    Zürich
    Hallo zusammen !

    Hier mal was anderes in Sachen Aquaristik: In der klassischen Taxonomie, also das Bestimmen von Tier- und Pflanzenarten, bietet bekanntlich die äusserliche Gestalt mit ihren Einzelheiten - sprich morphologische Kriterien - die wichtigsten Anhaltspunkte zur Artbestimmung. Doch bei kryptischen Arten sind viele dieser Merkmale so ähnlich, dass es oft sogar dem Experten schwer fällt, eine klare Bestimmung vorzunehmen. Daher zieht man heute immer mehr die Methode über die Ebene der Erbmoleküle der DNA mit den genetischen Anlagen zur eindeutigen Klassifizierung der Arten heran. Man nennt diese Methode "Barcode", die daraus gewonnenen Facts "Marker".

    Fatalerweise stehen jedoch diese "Marker" oft im Widersoruch zu den bisher angewandten morphologischen Kriterien. Ein solches Beispiel bietet etwa die "Dornenkrone" am Kopf einiger Arten der uns bestbekannten Wasserflöhe aus der Daphniengruppe.

    Wie nun neuerding Dr. Christian Laforsch (Lehrstuhl für Evolutionsbiologie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München) mit seinen Mitarbeitern nachweisen konnte, liegt in bezug auf dieses taxonomisches Merkmal zumindest bei zwei Wasserfloharten so was wie ein Irrtum vor !

    So konnten die Forscher aufzeigen, dass diese "Dornenkronen" an manchen Tieren der gleichen Art nur temporär auftreten und daher als taxanomisches Kriterum keine Gültigkeit haben könne. Denn bei den Arten Daphina atkonsoi und D. bolovori tritt diese "Dornenkrone" nur zu bestimmten Zeiten auf, wenn sie im gleichen Habitat mit dem Urzeitkrebs Triiop crancriformis (die europäische Art) gemeinsam zusammenlebt.

    Auslöser für die Ausbildung dieser temporären "Kronenbildung" sind chemische Stoffe, sog. Pheromone, die vom Triops stammen. Durch die Dornenkrone werden die Wasserflöhe aber für den Triops keine Beutetiere mehr, denn der Urzeitkrebs verfügt im Mundbereich über Borsten mit Sinnesorganen (Sensillen), die sich beim Angriff auf die Daphnie in deren Krone verhaken und - vermutlich eher widerwillig - muss der Triops von seiner Beute ablassen !

    Es darf vermutet werden, dass diese bisher unbekannte Art der Verteidigung bei den Wasserflöhen weitverbreitet sein dürfte. Die Forschung wird sicher weitere Ergebnisse zeitigen. Zumindest ist inzwischen eine weitere "temporär bekrönte" Wasserflohart in Grönland entdeckt worden.

    Diese Anpassung eines Beutetieres an seinen Räuber liefert mindestens ein faszinierendes beispiel für das Wirken der Evolution !

    Das meint

    Ryk
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 17. Januar 2009
  2. Vendetta

    Vendetta Guest

    Hi...

    Ich korrigiere: Die Arbeit hat Adam Petrusek veröffentlicht, Christian Laforsch ist Co-Autor, aber nicht der Hauptinitiator.

    Die beiden Wasserfloh-Arten heissen Daphnia atkinsoni und D. bolivari und die "Crown of Thorns" ist eher kein "weit"verbreitetes Phänomen. Der "Urzeit"krebs heisst Triops cancriformis.

    Das Riesen-Projekt "Barcode of Life" (Link zum Projekt, Wiki-Artikel) ist im Grunde keine Methode, sondern die Analyse eines einzelnen mitochondrialen DNA Stückes (Cytochromoxidase I) zur Bestimmung von allen Arten, die auf diesem Planeten existieren. Und es ist keineswegs fatal, dass die genetischen Daten in Widerspruch zu den morphologischen stehen - man weiss schon recht lange, dass Wasserflöhe aufgrund von phänotypischer Plastizität und Hybridisierung und wasweissichnoch nicht immer zu der Art gehören, zu der man sie mal gepackt hat. Adam und andere (Link) haben ebenfalls gerade vier Wasserfloh-Arten aufgrund von genetischen Methoden auf zwei reduziert.

    Es gibt eine ganze Palette an Reaktionen, die Wasserflöhe zeigen, wenn sie Räuber wahrnehmen: Helmchenbildung (am schönsten bei D. cucullata), verlängerte Stachel, früheres Erwachsenwerden, früheres Jungebekommen, Vertikales Wandern. Spannend bei all diesen Anpassungen ist, dass Wasserflöhe diese Plastizität in sich tragen. Wasserflöhe vermehren sich (meist) jüngfräulich - wenn ein Weibchen Jungtiere produziert, sind diese genetisch mit ihr selbst identisch (und es war auch kein Männchen daran beteiligt). "Schmeckt" das Weibchen Räuber, löst dies bei der Entwicklung der Jungtiere die o.g. Veränderungen im Aussehen aus.

    Wasserflöhe sind toll! :-D

    Gruss, Nora
     
  3. Ryk

    Ryk

    Registriert seit:
    18. August 2004
    Beiträge:
    75
    Zustimmungen:
    0
    Ort:
    Zürich
    Hallo Nora !

    Danke für Deine Ergänzungen !

    Beim Daphnien-Namen D. atkonsoni handelt es sich tatsächlich um einen Tipfehler meinerseits !

    Den Autorennamen Chr. Laforsch samt den Ergänzungen wurde mir vom wissenschaftlichen Pressedienst der besagten Uni mitgeteilt: *...unter Leitung des LMU-Forschers Dr. Christian Laforsch zeigte jetzt ...* !

    Leider kenne ich die Originalarbeit nicht. SORRY !

    Was die Wasserflöhe betrifft, da bin ich gleicher Meinung, beschäftige ich mich doch seit Jahren mit ihnen !

    Schöne Grüsse

    Ryk
     

Diese Seite empfehlen